Neustadt den 17.12.2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Ratskollegen,
Liebe Angehörige der Stadtverwaltung und ihrer Tochtergesellschaften,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Jahr 2023 nährt sich seinem Ende. Aber nicht nur das Jahr, sondern auch die Legislaturperiode. Im Juni 2024 werden wir einen neuen Stadtrat, Ortsvorsteher und Ortsbeiräte wählen.
Aus diesem Grund habe ich mir meine Haushaltsreden der letzten Jahre herausgeholt und möchte die Gelegenheit nutzen, um eine Art Bilanz zu ziehen.
Dabei habe ich festgestellt, dass der Grundtenor meiner Reden der Gleiche und fast austauschbar ist, nämlich die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Jetzt könnte ich natürlich selbstkritisch feststellen, dass das an meiner Einfallslosigkeit liegt. Aber es ist in dieser Zeit ja viel passiert. 2 Jahre Corona, der Ukrainekrieg, der Zuschlag für die Landesgartenschau, etc.. Themen genug…
Vielleicht liegt es mehr daran, dass ich kommunalpolitisch gar keine Themen habe, an denen ich mich reiben könnte. Mit der Stadtverwaltung bin ich zufrieden, einzelne Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge lohnen nicht, dass ich sie an die große Glocke hänge. Alles ist, in konstruktiver Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen zu lösen.
Aber in 95% meiner Entscheidungen als Stadtrat bin ich getrieben. Durch Pflichtaufgaben, die ich mir nicht ausgesucht habe bzw. bei Projekten deren Umsetzung davon abhängt, ob es Fördergelder gibt und die damit wieder von der Bereitstellung und Bewilligung dieser Gelder abhängen.
Deswegen ist unser Erfolg bei der Bewerbung um die Landesgartenschau auch ein so großer Befreiungsschlag gewesen. Ich habe mich eine Woche gefreut wie ein Kind und habe mich gewundert, warum das eine so große Wirkung auf mich hat. Aber es war einfach in 20 Jahren Kommunalpolitik, der Punkt, an dem ich den Eindruck hatte, wirklich etwas bewegt zu haben. Bitter!
Auch heute wird die FWG einer Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer wider besseres Wissen und Gewissen zustimmen, weil die Landesregierung Ihre Verantwortung für die Finanzierung der Kommunen nicht übernimmt. Nein, sie nimmt sogar ihre eigene „Anweisung“ zurück, nicht ausgeglichene kommunale Haushalte abzulehnen und überlässt es der ADD diese zu genehmigen oder auch nicht.
Letzte Woche ist der Gemeinderat von Bosenbach geschlossen zurückgetreten, weil er den aufgezwungenen Haushalt vor den Bürgern nicht verantworten konnte. „Bosenbacher Rücktritte lösen Beben aus“ titelte die Rheinpfalz. Die 2. Gemeinde in der Pfalz innerhalb von einem halben Jahr. Und das auch, weil nach dem Rücktritt des Gemeinderates in Freisbach sich nichts Wesentliches geändert hat. Die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen ist aus dem gleichen Grund aus ihrer Partei ausgetreten. Die Rheinpfalz schreibt zurecht, dass sich in den nächsten Jahren, wohl kaum noch jemand finden wird, der Bürgermeister und Ortsvorsteher werden will, um seine Freizeit zu opfern, ohne die kleinste Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten zu haben. Die Keimzellen unserer Demokratie trocknen langsam aus.
Im nächsten Stadtrat werden Vertreter der AFD sitzen, die eine sehr zweifelhafte Vorstellung von Demokratie haben. Die einzige Reaktion der etablierten Parteien besteht darin, daraufhin zu weisen, dass die AFD in Teilen rechtsradikal ist. Das hat bisher offensichtlich gereicht, um den Status Quo zu halten und weiter so zu machen, anstatt sich wirklich mit den Themen und abgewanderten Wählern auseinander zu setzen.
Vor 4 Jahren habe ich mich darüber geärgert, dass das Konnexitätsprinzip nicht eingehalten wird und mich gefragt, wann sich der gesunde Menschenverstand wohl durchsetzt. Heute stehe ich fassungslos und stumm da und kann nur noch kopfschüttelnd zuschauen.
[Anm. der Redaktion: Das Konnexitätsprinzip (Konnexität = Zusammenhang) ist ein Grundsatz im Staatsrecht, der besagt, dass Aufgaben- und Finanzverantwortung jeweils zusammengehören. Die Instanz (Staatsebene), die über eine Aufgabe entscheidet, ist auch für die Finanzierung zuständig. Vereinfacht wird dies oft ausgedrückt mit dem Satz “Wer bestellt, bezahlt”.]
Dazu passt es, dass mit der Kommunalen Wärmeplanung der schwarze Peter einmal mehr an die Kommunen weitergegeben wurde. Gott sei Dank, sind jetzt erst wieder wir, die Kommunen am Zug, bevor auf Bundes- und Landesebene Entscheidungen gefällt werden müssen, wie wir die erneuerbaren Energien speichern, wie und wo, die seit 15 Jahren notwendigen neuen Trassen gebaut und vor allem, wer den Umbau der Versorgungsnetze in den Kommunen eigentlich finanzieren soll. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen, das ist Teil des Trauerspiels.
Ein weniger bekannter deutscher Liedermacher hat schon vor 20 Jahren zu diesem Thema geschrieben, „Wir würden ja kämpfen, wenn wir wüssten wofür“. Wenn jetzt die Keimzellen, die Kommunen, die Räte, die vor Ort den Kopf für die Demokratie und die Politik hinhalten, keinen Sinn mehr sehen, weil sie wissen, dass die Herausforderungen vor denen wir stehen, nur gemeinsam zu lösen sind und dafür aber keine Unterstützung erfahren, kann ich nur zum wiederholten Male appellieren, die Probleme gemeinsam und grundlegenden anzugehen. Es wird nur mit Subventionen hier und da, nicht mehr weitergehen. Und wenn es weiter gehen soll, auch nur gemeinsam. Wir sind füreinander verantwortlich! Da kommen wir nicht darum herum.
Damit komme ich zum zweiten Teil meiner Rede und zu der Feststellung, wie gut es aus meiner Sicht, in der letzten Legislaturperiode in Neustadt gelaufen ist. Es war ein holpriger Anfang mit dem „Neustadter Modell“ ohne Koalition. Aber es gab nur 3 Abstimmungen, bei denen wirklich heftig gerungen wurde.
Sonst war es mit allen Fraktionen eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit, im Gegensatz zum vorbeschriebenen Verhältnis zum Land. Es wurde bei unserem Modell sehr viel sachorientierter diskutiert und sehr viel transparenter gearbeitet. In diesem Punkt dürft Ihr mich später gerne kritisieren, aber ich fand es auf diese Weise sehr viel demokratischer. Wir haben uns in diesem Punkt gut zusammengerauft. Vielen Dank für das kollegiale Miteinander.
Auch finde ich, dass wir bei all meiner vorherigen Kritik an der Landesregierung, aus den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, das Beste gemacht haben, was möglich war. Landesgartenschau, Bahnhofsvorplatz und Hotel, neue Gewerbegebiete, Flächennutzungsplan, Starkregenkonzept, etc.
Ein großes Sorgenkind bleibt die Innenstadt. Hier werden wir ins in den nächsten Jahren stark engagieren und genau überlegen müssen, wie wir hier retten können, was zu retten ist.
Die kommunale Wärmeplanung und die Klimaanpassung werden spannend, aber auch hier haben wir schnell reagiert und ich bin guter Dinge, dass wir das gemeinsam, im Rahmen unserer Möglichkeiten natürlich, schaffen oder zumindest auf einen guten Weg bringen werden.
Dafür gut gerüstet sind wir auch mit den Mitarbeitern unserer Stadtverwaltung und der Tochtergesellschaften. Stellvertretend für Alle, möchte ich in diesem Jahr die Mitarbeiter der Stadtkasse nennen. Unter den diesjährigen Voraussetzungen: Tariferhöhung, Wegbrechen der Schlüsselzuweisungen und den Belastungen durch die Flüchtlingsproblematik, mit Änderungen durch Land und ADD, buchstäblich in letzter Minute oder sogar noch 1 Tage nach Fertigstellung des Haushalts, unter Anstrengung aller Kräfte, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ist keine kleine Leistung.
Natürlich geht das nur, wenn alle Abteilungen mitspielen und die Haushaltsdisziplin ernst nehmen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was der zusätzliche Sparzwang für die tägliche Arbeit bedeutet, zusätzlich zu dem Druck, dem Sie heutzutage sowieso immer ausgesetzt sind. Vielen Dank für Eure geleistete Arbeit und großes Engagement für Neustadt und seine Ortsteile.
Um dies zu unterstützen, haben wir bis auf eine kleine Ausnahme, in diesem Jahr auf Haushaltsanträge verzichtet.
Zur Unterstützung der Attraktivität unserer Innenstadt und als Vorbereitung für die Klimaanpassungsmaßnahmen, beantragen wir die Erstellung eines Begrünungsplanes für die Kernstadt. Auch um eine Grundlage zur Beantragung von Fördermitteln zu haben.
Die FWG stimmt der Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer notgedrungen und dem Haushalt 2024 aus Überzeugung zu. Ich habe die Hoffnung, dass meine leidenschaftliche Kritik, gemeinsam mit den Kollegen der anderen rheinlandpfälzischen Kommunen, dieses Mal bei Land und Bund nicht ungehört verhallen. Hoffen darf ich…
Ich wünsche uns allen frohe Weihnachten, erholsame Feiertage und alles Gute und Gesundheit im neuen Jahr!
Für die Stadtratsfraktion der FWG
Christoph Bachtler