Über uns

Über 100 Jahre Freie Wähler

in Neustadt an der Weinstraße

Es war am Abend des 1. Februar 1912, als etwa 20 Männer einen politischen “Bürgerverein für Neustadt” ins Leben riefen. Dieser Verein sollte “im besten Einvernehmen mit Stadtrat und Verwaltung die Wahrung und Förderung der Interessen der gesamten Einwohnerschaft und die Entwicklung der Stadt Neustadt” zum Ziele haben und Anregungen dazu geben, die zum “Nutz und Frommen” der Allgemeinheit dienen sollen. Der Vierteljahresbeitrag lag bei 25 Pfennig. Neben dem Weinhändler Thomas Köhler, dem Schlossermeister Behr, Fotograf Gerspach, Malermeister Rebholz und Weingutsbesitzer Lingenfelder war einer der Männer der ersten Stunde der Verleger Daniel Meininger.
 
Daniel Meininger war ein echter Tausendsassa und Glücksfall für Neustadt. Zahllose Initiativen, die Neustadt bis heute prägen, gehen auf ihn zurück, z.B. der Neustadter Flugverein mit der Gründung des Flugplatzes Lachen-Speyerdorf, das Deutsche Weinlesefest, die Krönung der Pfälzischen und Deutschen Weinkönigin. Mit seinem Weinfachverlag, den er 1903 in Neustadt gegründet hatte, setzte er Maßstäbe auch für die Weinbranche und die Qualitätsentwicklung des Pfälzer Weines, dem seine Leidenschaft galt. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt waren das Marketing und der Tourismus.
 
Auch während des Dritten Reiches blieb Meininger trotz erzwungener kommunalpolitischer Untätigkeit in Sachen Haltung und Charakter ein Vorbild. Er schützte zwei französische Kriegsgefangene vor Schikanen der Nazis und versteckte einen jüdischen Mitarbeiter in einem kleinen Raum im Keller seines Verlags. Meiningers ehemaliger Mitarbeiter, SPD-Mann Hermann Zahn, der einige Zeit im Konzentrationslager interniert war, dankte ihm nach dem Ende der Nazi-Herrschaft in einem Brief für seine Unterstützung und “Zivilcourage”. Als seine politischen Urenkel freuen sich die Neustadter Freien Wähler und sind auch ein bisschen stolz,  dass der Stadtrat kürzlich den Platz vor dem Saalbau “Daniel-Meininger-Platz” getauft hat.
 
Mit den Jahrzehnten änderte sich der Name. Aus „Bürgerverein für Neustadt“ wurde eine „Wirtschaftliche Vereinigung“. Nach dem 1. Weltkrieg stand der Name „Gewerbebund“ auf der Liste und nach dem 2. Weltkrieg der Name „Gruppe Wiederaufbau“. Nach der Eingemeindung der neun Weindörfer 1969/1974 legten sich die neu zusammengeschlossenen „Freien Wähler“ als neue Gruppenbezeichnung ihren bis heute gültigen Namen: „Freie Wählergruppe Neustadt an der Weinstraße e.V.“ zu. Natürlich haben sich auch die Freien Wähler verändert. Waren es damals noch überwiegend Männer: Händler, Winzer und Selbstständige, so sind wir mit der Zeit doch wesentlich bunter geworden.
 
Die FWG Neustadt an der Weinstraße hat heute etwa 400 Mitglieder. Wir bilden alle Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen ab. Noch immer finden sich viele Selbstständige bei uns, was wir auch gut finden, da sie in Neustadt auch ihre wirtschaftliche Existenz haben und sich in besonderer Weise mit der Stadt identifizieren. Erwähnenswert ist auch, dass es uns in besonderer Weise gelingt, viele Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Arbeit zu integrieren. Wir betrachten dies als wichtige gesellschaftliche Aufgabe und es bereichert unsere Arbeit. Dabei bleiben die Freien Wähler eine an der Sache orientierte, bodenständige Kraft, die Probleme an der Wurzel anpackt und unsere Gesellschaft von unten, also von der Gemeinde her denkt. Mit dieser Idee sind wir in einer sich hochdynamisch gegenteilig entwickelnden Welt wichtiger und gefragter denn je.
 
Auch wenn die Wählergruppe wie unsere Gesellschaft insgesamt vielfältiger geworden ist: Die Ziele des Vereins haben sich nie geändert. Heute wie damals liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit darin, das Interesse der Bürger an der Kommunalpolitik zu wecken, die Belange der Einwohner und die Entwicklung Neustadts und seiner Weindörfer zu fördern. Uns alle verbindet die Liebe zu unserer Stadt. Die Idee der Freien Wähler in der Stadt des Hambacher Fests, dessen Werten wir uns ebenfalls verpflichtet fühlen, gehört zu den ältesten und beständigsten demokratischen Bürgerinitiativen unseres Landes, aber dennoch ist sie modern und aktiv geblieben. Das erfüllt uns mit Stolz und ist uns Ansporn und Verpflichtung zugleich.